Drebing Ehmke Architekten
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   Foto: Mirko Boy / Montage : drebing ehmke architekten gmbh

Der Umgang mit dem baulichen Erbe und der historischen Last des ehemaligen KDF- Bades ist nach der unsäglichen unter Denkmalschutzstellung nie städtebaulich und intellektuell gelöst worden. Das wurde auch auf der Podiumsdiskussion „Architektur- Quartett“ Zur Geschichte und Zukunft des Ortes am 24 Juli vergangenen Jahres in Prora deutlich.

Vielmehr ausschlaggebend für die Auseinandersetzung mit diesem Thema war dann aber weniger die Podiumsdiskussion als vielmehr der anschließende Spaziergang mit den Blechbläsern von der Insel Rügen. Die spielten aus Kagels Werk „Zehn Märsche um den Sieg zu verfehlen“. Maurice Kagel wollte mit dieser Komposition die politische Verführung der Marschmusik demaskieren. Durch rhythmische Verschiebungen und Verzerrungen ist es unmöglich nach dieser Musik zu marschieren, ihr Sinn ist es den Gleichschritt zu stören… Diese Musik, gespielt vor der monumental tristen Kulisse banaler Machtarchitektur bewegte uns zu der Überlegung ob nicht auch Architektur in der Lage sei, den Gleichschritt dieser Mammutbauten zu stören und den Geist ihrer Architektur bloßzustellen.

 
 
 
 
 
 

Inspiration für eine mögliche Architektur kam dann von der temporären Skulptur des Bücherturms vom Bebelplatz in Berlin. Sie soll an die Erfindung der Buchdruckkunst aber auch an die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten 1933 erinnern. Die Skulptur versinnbildlicht auch 200 Jahre Kunst- und Literaturgeschichte die für Freiheit und gegen politische Unterdrückung durch das Nazi- Regime eintrat.

Wenn man diesen Bücherturm nun vergrößert und ihm eine Nutzung gibt, wird aus der Skulptur unweigerlich eine Architektur. Die Geschossdecken werden gegeneinander verschoben, gerade Fluchten vermieden, jedes Geschoss ist anders, jedes ist individuell. So soll der Turm, ähnlich wie Kagels Musik gegen die Märsche, symbolisch den Gleichschritt der KDF- Blöcke stören und den Geist dieser Architektur bloßstellen.

Durch die Interaktion der beiden Architekturen (Hochhaus, Blöcke) wird ein städtebaulicher und metaphysischer Ausgleich hergestellt, der in der Außenwahrnehmung einen zukunftsorientierten Aufbruch des Ortsteils symbolisiert.

Die Höhe des 500 m vom Strand und 4.5 Km von Binz entfernten Hochhauses ergibt sich aus städtebaulichen Proportionsstudien bei denen die maximale und minimale Höhe des Gebäudes gesucht wurde mit der die o.g. Wirkung erzielt wird. Die Gebäudelänge des quadratischen Grundrisses hat eine Länge von max. 38m x 38m bei den Balkonen und von max. 30m x 30m bei den Fassaden. Es kann also innerhalb der heterogenen und gestreuten Bebauung bei diesen Grundrissdimensionen keinesfalls von einer Nachverdichtung gesprochen werden. Insgesamt hat der Turm eine Höhe von 104 m bei 27 Geschossen und ragt deutlich über die Baumwipfel des Küstenwaldes hinaus und verortet als Landmarke den Ortsteil Prora.

Wir haben den Einfluss auf den Naturraum der Insel Rügen untersucht und von verschiedenen sensiblen Standpunkten das Landschaftsbild simuliert.

Der Turm wird wenn man von Süden, Westen und Norden auf den Standpunkt zufährt nicht sichtbar sein. Ebenfalls ist er aus der Ortslage von Binz nicht wahrnehmbar. Gleichwohl ist der Turm aber von der Küstenlinie der Prorer Wiek zu sehen. Simulationen von Standpunkt Seebrücke Binz, Mukran, von der Hanglage Sassnitz und der Hafenmole verdeutlichen das. Ebenfalls ist der Turm vom Wasser aus sichtbar, was er ja als Landmarke und ikonisierter Symbolträger auch soll.

Letztendlich ist in der öffentlichen Diskussion zu entscheiden, ob der Einfluss auf das Landschaftsbild zu Gunsten der architektonischen, städtebaulichen und baukünstlerischen Zugewinne verträglich ist oder nicht. Das Bauwerk ist eine kausale Reaktion auf die historische und bauliche Last des KDF-Bades und eine städtebauliche Entwicklung von hoher Symbolkraft für den Ortsteil Prora.

Wir denken, dass die Diskussion über das Hochhaus ohne die dargestellten Entwurfsgedanken nicht fachlich kompetent geführt werden kann und öffentliche Stellungnahmen ohne dieses Wissen nicht qualifiziert gegeben werden sollten.

Im Wissen um die Tragweite des vorgeschlagenen Projektes hat der Bauherr bewusst eine frühzeitige und breite öffentliche Diskussion gesucht. Projektstand ist nur die Projektidee. Es gibt weder planungsrechtliche noch bauordnungsrechtliche Planungen und Anträge. Diese Herangehensweise ist sicherlich der Baukultur des Landes zuträglich, wie auch die baukünstlerische Auseinandersetzung mit dem baulichen Denkmal und historischen Erbe der Baukultur des Landes zuträglich ist.